Die häufigste Untersuchungmethode des Augenarztes ist die Messung der Sehschärfe, auch für die Grundlagenerforschung des menschlichen Sehsystems und die Erforschung von Augenerkrankungen ist das die Basisuntersuchung. Die Sehschärfemessung erscheint zunächst sehr simpel, man muss einfach prüfen, welches das kleinste Zeichen ist ('Optotype'), welches wir noch erkennen können. Aber was heisst 'erkennen'? Welche Zeichen sind geeignet, sind alle Buchstaben gleichberechtigt? Eine genauere Analyse dieser Fragen führt in tiefe Wasser der Sinnesphysiologie und Messstatistik, aber auch wieder heraus: Ein gut geeignetes Sehzeichen ist das “Landolt C”, ein Kreis mit einer Öffnung an einer der 8 Hauptrichtungen (rechts, unten, links, oben, und die schrägen dazwischen). Und das Erkennen führt über Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zur der Wahrnehmungsschwelle, für deren bestmögliche Messung ausgetüftelte Verfahren, z.B. die “best PEST” (best Parameter Estimation by Sequential Testing, Lieberman & Pentland 1982) existieren. Solche Verfahren eignen sich gut zur Realisierung auf Rechnern, und die Darbietung von lückenhaften Kreisen sollte mit Computern auch kein Problem sein.
Ideale Form im Pixelraster | Pixeldarstellung ohne Anti-Aliasing | Pixeldarstellung mit Anti-Aliasing |
Es zeigt sich dennoch ein unerwartetes Problem:
die Sehschärfe des menschlichen Auges ist so hoch, dass selbst bei 5 m Entfernung die Ortsauflösung eines Computerbildschirms nicht ausreicht, die Grenzen der menschlichen Sehschärfe auszuloten (Bach 1994, 1996). Was tun? Man könnte den Betrachtungsabstand noch weiter erhöhen, doch
dann wären riesige Bildschirme zur korrekten Messung einer niedrigen Sehschärfe nötig. LCD-Displays sind derzeit schlechter als Bildschirme. Bildschirme sind in ihrer Auflösung entweder durch das Farbraster, oder durch elektronenoptische Probleme eingeschränkt. Die sogenannten “hochauflösenden” Bildschirme sind bestenfalls größer, das einzelne Pixel ist nicht kleiner. Doch gibt es eine, auf moderner Graphikmanipulation beruhende Lösung, das sog. “Anti-Aliasing”. Dieser Begriff aus der Signalmesstechnik wird durch Reklame für CD-Spieler popularisiert und auch bei Computergraphik zunehmend verwendet: Man kann die Ortsauflösung etwas verbessern, indem man die Helligkeitsauflösung zu Hilfe nimmt. Technisch gesprochen stellt das Auge einen optischen Tiefpass dar, und ein “anti-gealiastes” Bild ist nach Durchgang durch die Augenoptik von einem mit doppelter Pixelauflösung nicht zu unterscheiden. Das Prinzip des Anti-Aliasing zeigt die nebenstehende Abbildung, der Effekt ist von etlichen Startbildschirmen bekannt (Bach et al. 1996).
In der Realisierung des Anti-Aliasing zeigt sich sehr deutlich der Vorteil von Apple-Macintosh-Rechnern: Anti-Aliasing ist bereits im Betriebssystem integriert! Für die Insider sei erwähnt, dass dazu der “CopyBits”-Befehl in Kombination mit einem (ca. 4 x) größerem Quell- als Zielrechteck und “ditherMode” als Kopiermodus nötig ist. Selbst auf für heutige Verhältnisse “lahmen” Rechnern wie einem LC (mit 68020-CPU, damals wurde dieses Programm entwickelt) funktioniert das mit ausreichender Geschwindigkeit. Neben dem Vorteil des eingebauten Anti-Aliasing haben wir auch den Apple Desktop Bus sehr vorteilhaft gefunden: Der Bildschirm ist ja aus 5 m Entfernung zu betrachten. Man braucht also eine kleine Tastatur für den Patienten, und das ist idealerweise eine externe Zifferntastatur, wie sie für PowerBooks angeboten wird. Die nicht benötigten Tasten kann man abdecken, auf die anderen einen geeigneten Aufkleber anbringen und ein Verlängerungskabel bauen. Für dieses Kabel erweist sich ein unerwarteter, ja fast unglaublicher Industriestandard als Vorteil: Die Sony SVideo-Stecker sind dieselben wie die des ADB, sie sind also leicht erhältlich.
Der aus diesen Ideen realisierte “Freiburger Visustest” ist in der Freiburger Universitäts-Augenklinik an mehreren Messplätzen fest installiert, Kinder bedienen ihn wie ein Videospiel. Von Sehforschern weltweit wird er als schneller Siebtest bei Sehexperimenten geschätzt. Durch zahlreiche Optionen, mit denen man sich normalerweise nicht beschäftigen muss, lässt er sich an sehr unterschiedliche Fragestellungen anpassen. Zuguterletzt ist die derzeitige Version des “Freiburger Visustests” auch noch unentgeltlich (aber ohne Gesundheitsgarantie!) im Internet erhältlich: