Residualton-Täuschung

Optische Täuschungen & Sehphänomene von Michael Bach

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Was hören wir hier?

Zunächst hören wir hier nichts. Wenn man den “Missing Fund.“-Knopf drückt, sollte ein Ton zu hören sein (Gesamtlautstärke kann man ganz rechts am “Master” einstellen, extra leise vorgewählt). Nun versuchen, den Ton nachzusingen / zu summen, und die Tonhöhe damit zu vergleichen, was bei “Normal tone” herauskommt. Klar klingen sie in der Klangfarbe unterschiedlich, aber die Grundtonhöhe ist für viele Menschen gleich. Man merkt das besonders im Kontrast zu “1 octave ↑”, das ist wirklich eine Oktave höher.

Normalerweise wird die Klangfarbe durch die Mischung der verschiedenen Oberwellen bestimmt, und die Tonhöhe durch die niedrigste Oberwelle oder den “Grundton”.

Der Effekt hier wird i.A. stärker, wenn man den Grundton tiefer wählt, z.B. 110 Hz.
[Man muss das Frequenzfeld mit Tab verlassen, oder Enter drücken, oder das Mastervolume-Feld anwählen, damit der neue Frequenzwert aktiv wird.]
Warum stärker? Weil –zumindest bei kleinen Lautsprechern– der tiefste Ton kaum wiedergegeben wird, so dass es nichts mehr macht, wenn er ganz fehlt.

Mit den Schiebern kann man hier eine Art Fouriersynthese machen: Grundwelle, 1. Oberwelle (doppelte Frequenz), 2. Oberwelle (dreifache Frequenz etc.). Für den Normal tone mische ich alle Oberwellen mit fallender Amplitude (fast ein Sägezahn, aber mehr Oberwellen).

Wie funktioniert das?

Warum hört man den Grundton, obwohl er fehlt? Dieser sog. “Residualton” ist ein psychoakustisches Phänomen, in den Details sehr kompliziert (siehe deutschen & englischen Wikipedia-Artikel). Aber: auf dieser Site kennen wir es ja schon, dass das Gehirn / unser Wahrnehmungssystem gerne etwas dazu erfindet, wenn es sinnvoll scheint (=häufig ist). Und die Obertonstruktur der Missing Fund. kann nur auftreten, wenn der Schwingkörper wirklich den Grundton dabei gehabt hätte – siehe die Lücken im Spektrum bei 1 octave ↑. Als “erfindet” unser Gehirn den Ton…

Das erklärt auch, warum man mit kleinen Lautsprechern (früher “Transistorradios”) den richtigen Basston zu hören meint, obwohl er gar nicht da ist. Auch beim Orgelbau: wenn nicht genug Platz (oder Geld) für ein 32’ (‘=Fuß)-Register da ist, dann kann man das simulieren mit gekoppelten 16’ und 10⅔’ Fußlagen!

Unter die Oberwellen-Schieber habe ich Notennamen geschrieben (C, c, g, …), wenn die Grundfrequenz 523,25 Hz (C) wäre. Da sieht man ein anderes interessantes musikalisches Phänomen: Die erste 5 Harmonischen bilden einen Dur-Akkord! Das könnte evtl. teils die Vorliebe für die ionische Tonleiter erklären, oder ist das doch eher rein kulturell dominiert?

Quellen

Wikipedia: Missing fundamental

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