Wenn Sie die blaue Figur oben betrachten, werden Sie bestimmt sofort einen Würfel erkennen, der langsam rotiert.
Nun den Knopf “View 1” drücken, so dass wir in Ruhe die Ausgangsfigur studieren können. Nach längerem Betrachten passiert es wahrscheinlich spontan (ca. alle 3–5 s), dass die Orientierung des Würfels plötzlich umklappt, zwischen den beiden Möglichkeiten rechts; dort ist die Orientierung durch Schattierung eindeutig gemacht (“disambiguiert”). Jedoch im “Necker-Würfel”, so der Name der blauen Figur, sind beide Orientierungen etwa gleich wahrscheinlich.
Warum klappt der Neckerwürfel um? Zunächst muss man sich klar machen, dass die Wahrnehmung eines 3-dimensionalen Würfels selbst schon eine Interpretation ist unseres Gehirns ist – auf dem Bildschirm ist ja nur ein 2-dimensionales flaches Linienbild, man kann es sich als Schatten vorstellen. Diese Linien können in vielfacher Weise interpretiert werden, z.B. könnten auch in Zick-Zack gebogene Drähte denselben Schatten werfen. Unser Wahrnehmungsapparat wählt die, auf Grund unser Seherfahrung, wahrscheinlichste Interpretation aus, eben einen Würfel.
Also wir sehen einen Würfel, aber warum klappt er um? Es gibt 2 mögliche, etwa gleich wahrscheinliche, Würfelorientierungen die denselben Schatten haben. Ich stelle mir das so vor, dass im Wahrnehmungsraum 2 Attraktoren vorliegen, für jede Orientierung einer. Wenn die Wahrnehmung in einem Attraktor sitzt, fühlt sie sich zwar wohl, doch durch Adaptation wird der Attraktor zunehmend flacher. Jede Störung, seien es Lidschläge, Augenbewegungen oder Kommandos“von oben” hat es zunehmend leichter, die Wahrnehmung aus einem Attraktor herauszuschaukeln, dann rutscht sie in den anderen, nicht adaptierten Attraktor, und er Zyklus beginnt von neuem.
Der Neckerwürfel hat viele Wissenschaftler fasziniert weil er offenbar Wahrnehmen und Sehen entkoppelt: obwohl das Bild sich nicht ändert, ändert sich die Wahrnehmung. Es gibt unheimlich viele Veröffentlichungen dazu, Long & Toppino (2004) haben eine schöne Übersicht gegeben.
L. A. Necker war ein Schweizer Mineraloge. Er entdeckte das Umklappen zufällig, als er Kristallzeichnungen betrachtete.
Necker LA (1832) Observations on some remarkable phenomenon which occurs in viewing a figure of a crystal or geometrical solid. London and Edinburgh Phil Mag J Sci 3:329–337
Long GM & Toppino TC (2004) Enduring interest in perceptual ambiguity: Alternating views of reversible figures. Psychological Bulletin, 130(5), 748–768
Kornmeier J, Bach M (2012) Ambiguous figures – What happens in the brain if perception changes but not the stimulus. Frontiers Human Neurosci 6:51 [PDF]
Projekte in meinem Labor: Was passiert im Gehrin wenn die Figur umklappt?
Verwandte Phänomene: “missing corner cube” und rotating silhounette.