Immer wieder bekomme ich Anfragen, was man gegen den Schaden tun könne, der vom blauen LED-Licht ausgehe, sei es bei Bildschirmen oder Wohnzimmer-LEDs.

Was soll man tun? Gar nichts, denn es geht davon kein Schaden aus!¹

Im Internet und den unsozialen Netzwerken, auch im Fernsehen, findet man immer wieder die Behauptung, dass LED-Beleuchtung gefährlich sei, da der Blauanteil der meisten LEDs höher ist als im Tageslicht. Man findet Aussagen wie: “… löst Augenkrebs aus”, und gleich wird ein Geschäft draus gemacht: Es werden Blaulichtfilter für Bildschirme und entsprechende Brillen angeboten.

Sachlage

  • Klar kann Blaulicht schaden, Licht überhaupt (z.B. Sonnenbrand), und Blau etwas mehr als Rot, weil es energiereicher ist.
  • Der Schaden hängt von der absoluten Intensität ab, und nicht von der relativen. Unter künstlicher Beleuchtung mit LEDs ist die Intensität viel geringer als unter Tageslicht. Wie schon Paracelsus sagte: “Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die (niedrige) Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.”
  • Typische Abbildungen, die den “schädlichen” Blaugipfel zeigen sollen, sind auf 100% normiert und daher irreführend.
  • Beleuchtungsstärke
    • Beispiele
      • Unter bedecktem Himmel im Winter draußen maß ich ≈5000 lux, unter einem 12-W LED-Wohnzimmer-Strahler in 2 m Abstand nur ≈120 lux.
      • Bei Sonnentagen liegt die Beleuchtungsstärke um 100.000 lux (Wikipedia).
    • Das Blaulicht in alltagstypischen LEDs ist viel schwächer als der Blauanteil im Tageslicht. Die Animation oben rechts veranschaulicht das.
  • Wann kann Licht schaden? Beispiele:
    • Wenn man aus der Nähe länger in einen starken (insbesondere blauen) Bühnenscheinwerfer (sog. “Par”) schaut
    • Wenn man ohne Schutzfilter in eine sog. “Polymerisationslampe” schaut – die werden zum Härten von Zahnfüllungen eingesetzt
    • Wenn Jugendliche darum wetteifern, wer länger in einen Laser schauen kann – ja, das gibt’s (Linton et al. 2019, Eye 33:492–504), und auch noch mit nicht-zugelassenen, aber dennoch im Internet bestellbaren starken Lasern.

Wissenschaftliche Informationen

Meine oben etwas plakativ formulierte “starke Meinung” beruht auf diesen Daten:

Schlaf und zirkadianer Rhythmus

Mit dem angeblichen Augenschaden, der von LEDs ausgeht, wird oft der Blau-Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus vermischt. Das ist aber etwas anderes und recht komplex, dazu hier nur kurz:

  • Helles Licht vor dem Einschlafen, egal aus welcher Lichtquelle, ist suboptimal für guten Nachtschlaf. Erst bei weniger als (melanopischen²) 10 lx gibt es praktisch keinen Einfluss mehr auf den Melatoninspiegel (Recommendations for healthy daytime, evening, and night-time indoor light exposure (preprint 2021), Fig. 2).
  • In der vielzitierten Arbeit von Chang et al. (2015) wird berichtet: Lesen vor dem Einschlafen mit einem blaudominierten “e-reader” (iPad) löse Schlafstörungen aus im Vergleich zum (Fluoreszentlicht-beleuteten) Buch. ABER: Das iPad war auf volle Helligkeit eingestellt und damit 47× heller als das Buch! Somit eine völlig unbrauchbare Arbeit, daraus kann man nicht schließen, dass Blaulicht den Schlaf beeinflusst.
  • Für den zirkadianen Rhythmus macht es offenbar keinen Unterschied, ob nach Kataraktextraktion (grauem Star) eine intraokulare Linse eingesetzt wird, die Blau-blockend ist (also gelb), oder klar (Brondsted et al. 2015).
  • Groß angelegte und methodisch raffinierte neue Arbeit Schöllhorn et al. aus dem Baseler Centre for Chronobiology. Es wurden 4 Leuchtdichten geprüft (27–284 cd/m²) unter je 2 Bedingungen: Hohe vs. niedrige Wirkung auf die Melanopsin-haltigen Ganglienzellen, obwohl der Bildschirm immer weiß aussah – dazu wurden mit fünf Lichtquellen passende metamere Lichter) generiert. Gemessen wurde der Einfluss auf Einschlafzeit, Melatoninspiegel und Wachheit. Es ergab sich eine deutliche Abhängigkeit von der Leuchtdichte: zum einen bei niedrigen Leuchtdichten (27 cd/m²), kein relevanter Effekt auf Einschlafzeit, bei hohen Leuchtdichten sehr wohl. Des weiteren wirkten die Melanopsin-optimierten Lichter deutlich stärker, obwohl sie subjektiv gleich aussahen. Stark verkürzt fasse ich die Ergebnisse so zusammen:
    • Lichter niedriger Beleuchtungsstärke stören nicht das Einschlafen; der 10-lux-Grenzwert (siehe oben) ist da offenbar sehr sicher.
    • Wenn es denn heller sein muss, kann man mit geeigneten Bildschirmen Lichter ermischen, die sehr hell wirken, keinen reduzierten Blauanteil und damit gute Farbwiedergabe haben, aber sich wenig auf das Schlafverhalten auswirken. Toll.

Dieser Blog-Eintrag wurde 2020-04-07 erstellt und wird immer wieder durch aktuelle Informationen ergänzt.

→English version


 

¹ Bei bestimmungsgemäßer Verwendung.
² “melanopisch” heißt, dass die Wellenlängen entsprechend der spektralen Empfindlichkeit der melanopsinhaltigen Ganglienzellen in der Netzhaut gewichtet werden; ihr Maximum liegt im blau-grünen Bereich.